Wenn „Schwuchtel“ plötzlich okay sein soll

Auf dem Discord-Server der Rust-Community Kiezmischer kam es zu einem befremdlichen Vorschlag. Der Nutzer david_09415 schlug vor, dass die Beleidigung „Anime-Schwuchtel“ künftig keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen sollte. Waren doch zuvor seine Kumpels abgestraft worden, weil sie genau das gesagt hatten. Dieser Vorschlag rief deutlichen Widerspruch hervor, und ein anderer Nutzer argumentierte ausführlich dagegen.

Die Admins löschten sowohl den Vorschlag als auch die Gegenargumente. Ein etwas… „RUSTikaler“ Umgang mit einer tiefgreifenden Problematik. Daher dokumentiere ich die inhaltlichen Ausführungen und Recherchen hier. Homophobe Äußerungen kommen auf Kiezmischer leider häufig vor, sodass sich jetzt beim nächsten Mal leicht auf diesen Blogbeitrag verlinken lässt.

„Schwuchtel“ – Kein Witz, sondern eine Straftat

Warum ist die Bezeichnung „Schwuchtel“ ein Problem? Rechtlich gesehen ist die Sache eindeutig. Das Amtsgericht Frankfurt entschied [1], dass dieser Begriff nicht unter die Meinungsfreiheit fällt. Die Richter stellten klar, dass es sich um eine direkte Herabwürdigung und nicht um eine bloße Meinungsäußerung handelt. „Schwuchtel“ ist eine Beleidigung, die die betroffene Person herabsetzt und ihre Würde verletzt. Es handelt sich nicht um eine Meinung, sondern um eine Diffamierung.

Der entscheidende Punkt: Das Gericht prüft erst gar nicht, ob die Beleidigung unter die Meinungsfreiheit fällt, weil das Wort allein schon eine klare Herabwürdigung ist [2]. Das Gericht missbilligt außerdem ausdrücklich, dass mit der Verwendung des Begriffs eine Geringschätzung homosexueller Männer im Allgemeinen einhergeht.

Diskriminierung fürs eigene Ego?

Das Problem mit der Beleidigung „Schwuchtel“ reicht weit über das Juristische hinaus. Begriffe wie dieser sind keine harmlosen Floskeln, sondern gezielte Werkzeuge der Ausgrenzung.

Selbsterhöhung. Menschen benutzen solche Worte, um sich über andere zu stellen und vermeintlich Schwächere abzuwerten. David wollte erreichen, dass „Schwuchtel“ auf dem Kiezmischer-Server erlaubt bleibt/wird. Ein Begriff, der eine gesellschaftliche Minderheit beschreibt, soll als Schimpfwort genutzt werden. Das zeigt, dass diese Minderheit von David nicht als gleichwertig angesehen wird.

Fragile Männlichkeit. Im unten verlinkten Artikel des Standard [3] wird deutlich beschrieben, warum solche Beleidigungen benutzt werden: Andere als schwul zu beschimpfen, nutzen manche Männer als Taktik, um sich selbst zu profilieren, indem sie vermeintlich Schwächere abwerten.

Wer mit seiner eigenen Männlichkeit nicht im Reinen ist, neigt eher dazu, zu versuchen, andere fertigzumachen.

Das ist kein Ausdruck von „Stärke“, sondern eine Strategie, andere klein zu halten und ein bestimmtes Männlichkeitsbild zu propagieren.

„In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass etwa Männer, deren Männlichkeit infrage gestellt wurde oder die als feminin bezeichnet wurden, das kompensieren, indem sie ein hypermaskulines Verhalten an den Tag legen.“

Antisemitische Anspielungen als nächster Schritt?

„Du Jude!“ Ein weiteres Argument gegen die Tolerierung solcher Beleidigungen ist die Gefahr, dass die Grenzen weiter verschoben werden. Wenn „Schwuchtel“ erlaubt bleibt, warum dann nicht auch „du Jude“? In einem unten verlinkten Beitrag der Zeit [4] wird gezeigt, wie schnell antisemitische Äußerungen salonfähig werden, wenn man ihnen keinen Einhalt gebietet. Solche Begriffe dienen dazu, Menschen als „Andersartige“ zu markieren und Hass und Hetze zu verbreiten.

Keine Legitimierung! Die Erlaubnis solcher Beleidigungen vermittelt die Botschaft, dass bestimmte Minderheiten weniger wert sind oder als legitime Ziele für Verachtung gelten. Es ist nicht nur ein Verschieben der Grenze, sondern ein Niederreißen derselben.

Keine Narrenfreiheit für Narren – Klare Regeln sind gefragt!

Respekt als Grundlage. Die Diskussion auf Kiezmischer zeigt, dass viele Menschen unsicher sind, wie sie mit diskriminierenden Aussagen umgehen sollen. Oft wird argumentiert: „Man muss nicht alles so ernst nehmen.“ Doch ein Discord-Server darf nicht zu einem „Wilden Westen“ der Beleidigungen werden. Klare Regeln und deren wirksame(!) Umsetzung sind notwendig, und das hat nichts mit übertriebener Political Correctness zu tun, sondern mit Respekt vor der Community und vor Minderheiten.

Keine Narrenfreiheit für Narren

Community Server. Eine Online-Community sollte ein Raum sein, in dem sich alle wohlfühlen – egal, ob sie PVPler, Baumeister oder Feierabendzocker sind, egal, wen sie lieben, wie sie sich geschlechtlich identifizieren, welche Filme sie favorisieren oder welcher Religion oder atheistischen Strömung sie angehören. Homophobie, Antisemitismus, Rassismus, Hass und Hetze dürfen hier keinen Platz haben.

Fazit: Wer schweigt, stimmt zu

Verantwortung der Admins. Der Vorschlag auf dem Kiezmischer-Server zeigt, wie wichtig eine klare Linie ist. Beleidigungen wie „Schwuchtel“ oder „Homo“ oder das Herumhacken auf Anime Fans sind keine harmlosen Neckereien, sondern gezielte Angriffe auf die Identität und Würde von Minderheiten. Wer solche Aussagen stillschweigend hinnimmt, lässt sie zu – und fördert damit Intoleranz und Diskriminierung.

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Quellen

[1] Az.: 907 Cs 7680 Js 229740/19 – Urteil vom 15.01.2021
[2] In der Urteilsbegründung Absatz IV.2.b)
[3] Beitrag in DER STANDARD
[4] Beitrag in der Zeit

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